WIdOmonitor: Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung findet große Zustimmung – auch bei vielen Privatversicherten
Die Kernelemente des Solidarprinzips der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finden große Akzeptanz in der Bevölkerung. Das gilt sowohl für gesetzlich wie auch für privat Krankenversicherte. Laut einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK befürworten aktuell 82 Prozent der gesetzlich Versicherten und 80 Prozent der privat Versicherten, dass Gesunde den gleichen Beitrag für ihre gesundheitliche Absicherung zahlen wie Kranke. Im Vergleich zu einer Befragung aus dem Jahr 2012 hat die Zustimmung noch einmal deutlich zugenommen: Damals lag diese bei 71 bzw. 74 Prozent.
Die repräsentative Erhebung unter rund 2.000 gesetzlich und privat Krankenversicherten wurde auf Grundlage eines vom WIdO entwickelten Fragebogens Anfang des Jahres vom Sozialforschungsinstitut Forsa durchgeführt. Um einen Zeitvergleich zu ermöglichen, wurden teilweise dieselben Fragen gestellt wie in einer Befragung aus dem Jahr 2012. WIdO-Studienleiter Klaus Zok, der schon die Vorläuferstudie vor elf Jahren durchgeführt hatte, erklärt: „Die Ergebnisse belegen, dass das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung in der gesamten Bevölkerung hoch im Kurs steht.“
Das zeigt sich an vielen Stellen: So sind zum Beispiel die Zustimmungswerte für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen nach wie vor sehr hoch: Bei GKV-Versicherten liegen sie bei 93 Prozent, bei PKV-Versicherten bei 83 Prozent (2012: GKV 94/PKV 84). Ähnliches gilt auch für den Einkommensausgleich, also die stärkere finanzielle Belastung von Besserverdienenden gegenüber Geringverdienern. Diesem zentralen Merkmal des Solidarprinzips stimmen 73 Prozent der GKV-Versicherten und 68 der PKV-Versicherten zu (2012: 76/71 Prozent). Etwas verhaltener und differenzierter fällt dagegen die Zustimmung beim Altersausgleich und bei der kostenfreien Mitversicherung von nicht erwerbstätigen Ehepartnern aus: So befürworten 61 Prozent der GKV-Versicherten und 49 Prozent der PKV-Versicherten, dass Junge den gleichen Betrag bezahlen wie Ältere (2012: 62/54 Prozent). Dass nicht erwerbstätige Ehepartner beitragsfrei mitversichert sind, finden nur noch 63 Prozent der GKV-Versicherten und 47 Prozent der PKV-Versicherten richtig (2012: 71/54 Prozent). Auf eindeutige Ablehnung in beiden Gruppen stößt die Aussage „Eine Krankenversicherung sollte das Recht haben, neue Kundinnen und Kunden aufgrund des Gesundheitszustandes abzulehnen.“ Das lehnen 85 Prozent der gesetzlich Versicherten und 80 Prozent der privat Versicherten ab.
Bei der Einschätzung einzelner Versorgungsaspekte wie Qualität, Therapiezugang oder Patientenorientierung zeigen sich im aktuellen WIdOmonitor bei gesetzlich und privat Versicherten ähnliche bis identische Befragungsergebnisse, wobei beide Lager viel Verbesserungspotenzial wahrnehmen. Unterschiedliche Einschätzungen von GKV- und PKV-Versicherten gibt es auch bei der Rückschau sowie bei den Erwartungen an das System der Krankenversicherung. So sehen 20 Prozent der GKV-Versicherten, aber nur 11 Prozent der PKV-Versicherten in den letzten Jahren eine Verschlechterung des Krankenversicherungsschutzes. 40 Prozent der GKV-Versicherten erwarten, dass das Leistungsspektrum künftig abnimmt, was nur 31 Prozent der PKV-Versicherten befürchten. Entsprechend unterschiedlich fallen auch die Zufriedenheitswerte aus: So äußern sich 42 Prozent der GKV-Versicherten sehr zufrieden oder zufrieden mit dem Gesundheitssystem in Deutschland, 22 Prozent aber sehr unzufrieden bzw. unzufrieden. Das gilt noch mehr für GKV-Versicherte, die ihre Gesundheit als schlecht einstufen. PKV-Versicherte sind dagegen mit 55 Prozent deutlicher zufriedener mit dem Gesundheitssystem; lediglich 15 Prozent sind unzufrieden bzw. sehr unzufrieden.
Auch die konkreten Erfahrungen von Patientinnen und Patienten mit der ärztlichen Behandlung fallen unterschiedlich aus. So berichten 41 Prozent der GKV-Versicherten über Schwierigkeiten, zeitnah einen Arzttermin zu bekommen. Bei PKV-Versicherten sind dies nur 22 Prozent. 17 Prozent der GKV-Versicherten glauben, dass ihnen Leistungen vorenthalten wurden, aber nur 3 Prozent der PKV-Versicherten. Umgekehrt meinen 16 Prozent der PKV-Versicherten, dass ihnen nicht notwendige Untersuchungen angeboten wurden, während es bei den GKV-Versicherten nur 6 Prozent sind.
Reformoptionen: Viel Zustimmung für Einbeziehung weiterer Gruppen in die GKV
„Einerseits zeigt sich also hohe Zustimmung für die solidarische Ausrichtung der GKV, andererseits aber auch Verbesserungsbedarf in der konkreten Versorgung im Alltag“, kommentiert Studienleiter Klaus Zok die Ergebnisse. Vor diesem Hintergrund sind auch die differenzierten Bewertungen verschiedener Reformoptionen für die GKV interessant. So findet die Einbeziehung weiterer Einkommen aus Mieten, Zinsen und Kapitalerträgen bei der Beitragsbemessung von beiden Gruppen relativ hohe Zustimmung (GKV: 43 Prozent Befürwortende, PKV: 50 Prozent). Auch für die Erweiterung der Solidargemeinschaft um Beamte, Selbstständige oder besserverdienende Arbeitnehmer (GKV: 75 Prozent Zustimmung, PKV: 46 Prozent) gibt es relativ viele Sympathien. Über die Hälfte sowohl der GKV- als auch der PKV-Versicherten befürworten die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV: 59 Prozent Zustimmung, PKV: 54 Prozent). Ein ähnliches Stimmungsbild zeigt sich bei der Beitragspflicht für mitversicherte Ehepartner bei einem Familieneinkommen über der Beitragsbemessungsgrenze (GKV: 55 Prozent Befürwortende, PKV: 60 Prozent).
Auf einhellige Ablehnung stößt dagegen ein pauschaler Risikozuschlag für Kranke (GKV: 7 Prozent Zustimmung, PKV: 10 Prozent). Auch erweiterte private Zuzahlungen oder erhöhte Eigenanteile, wie unlängst vom Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen und einigen Ärztefunktionären vorgeschlagen, lehnen sowohl GKV-Versicherte als auch PKV-Versicherte mehrheitlich ab (GKV: 10 Prozent Befürwortende, PKV: 21 Prozent). Auch die bereits in der PKV praktizierte Kostenerstattung wird deutlich abgelehnt, selbst von vielen PKV-Versicherten (GKV: 16 Prozent Zustimmung, PKV: 32 Prozent).
Vor die Alternative gestellt, entweder Leistungsverzicht oder Beitragserhöhung in Kauf nehmen zu müssen, um die Finanzierungsprobleme zu lösen, präferieren GKV- und PKV-Versicherte deutlich Letzteres (GKV: 15 versus 77 Prozent; PKV: 21 versus 74 Prozent). Das Ergebnis fällt bei dieser Frage noch deutlicher aus als 2012.
Große Mehrheit für Stärkung der solidarischen Finanzierung auch in der Pflegeversicherung
Bemerkenswert sind auch die Antworten zu den Entwicklungsperspektiven der GKV: Es zeigt sich eine klare Präferenz dafür, die gesamte Bevölkerung in der GKV zu versichern statt den Status quo des Nebeneinanders der beiden Systeme zu belassen. Das Ergebnis gilt nicht etwa nur für die GKV-Versicherten, die zu 76 Prozent zustimmen. Auch fast die Hälfte (48 Prozent) der befragten Privatversicherten sprechen sich dafür aus. Für die Stärkung der solidarischen Finanzierung plädieren die Befragten auch in Bezug auf die soziale Pflegeversicherung. So befürworten 86 Prozent der GKV-Versicherten und 64 Prozent der PKV-Versicherten eine Beteiligung aller, also auch von Beamten, Selbstständigen und Besserverdienenden an der solidarischen Finanzierung der Pflegekosten. 78 Prozent der GKV-Versicherten und 71 Prozent der PKV-Versicherten finden, dass das Risiko steigender Pflegekosten von der Pflegeversicherung und nicht von den Pflegebedürftigen getragen werden sollte. Umgekehrt stimmen nur 13 Prozent der GKV-Versicherten und 23 Prozent der PKV-Versicherten der Aussage zu, dass das Risiko steigender Pflegekosten über private Pflegezusatzversicherungen abgedeckt werden sollte.
Studienleiter Klaus Zok resümiert: „Die empirischen Befunde zeigen – auch im Zeitvergleich –, dass eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung eine umfassende Gesundheits- und Pflegeversorgung im Rahmen des solidarisch finanzierten Versicherungssystems befürwortet und für die Stärkung solidarischer Finanzierungselemente votiert. Bemerkenswert sind dabei die fast durchweg positiven Voten eines nennenswerten Anteils der befragten Privatversicherten zu den Prinzipien der solidarischen Finanzierung, die es in ihrem eigenen Versicherungssystem so nicht gibt, wie auch deren Offenheit für eine Zusammenführung beider Versicherungssysteme. Passend dazu werden klassische PKV-Instrumente wie die Kostenerstattung immer kritischer bewertet.“